Oberlandesgericht Saarbrücken, Beschluss vom 23.08.2010 - 5 W 181/10 -
Für die Grundbucheintragung des Erstehers eines zwangsversteigerten Grundstücks ist als Geschäftswert regelmäßig der vom Vollstreckungsgericht festgesetzte Verkehrswert anzusetzen (Oberlandesgericht Saarbrücken, Beschluss vom 23.08.2010 - 5 W 181/10 -).
Oberlandesgericht Saarbrücken
23.08.2010
- 5 W 181/10 -
Beschluss
...
beschlossen:
Die Beschwerde der Beschwerdeführerin gegen den Beschluss des Amtsgerichts vom 18.06.2010, Az., wird zurückgewiesen. Das Verfahren ist gebührenfrei. Kosten werden nicht erstattet.
Gründe
I.
Im Zwangsversteigerungsverfahren wurde der Wert des im Grundbuch von eingetragenen Grundbesitzes nach Einholung eines Sachverständigengutachtens gemäß § 74a Abs. 5 ZVG auf 793.000,00 EUR festgesetzt. Die Beschwerdeführerin erhielt durch Beschluss vom 30.03.2009 den Zuschlag zum Meistgebot in Höhe von 396.500,00 EUR. Nachdem sie am 06.05.2010 als Eigentümerin im Grundbuch eingetragen worden war, erging am 10.05.2010 eine Kostenrechnung über 1.257,00 EUR, ausgehend von einem Wert in Höhe von 793.000,00 EUR. Dagegen legte sie Erinnerung ein, die das Amtsgericht durch Beschluss vom 18.06.2010 zurückwies. Gegen diesen Beschluss legte die Beschwerdeführerin Beschwerde ein mit dem Ziel, die Kosten nur aus einem Grundstückswert in Höhe von 396.500,00 EUR zu berechnen. Dieser Beschwerde half das Amtsgericht nicht ab und legte sie dem Gericht vor.
II.
Die Beschwerde zum Gericht ist nach § 14 Abs. 3 und 4 KostO zulässig. Sie ist aber nicht begründet. Zu Recht hat das Amtsgericht den im Zwangsversteigerungsverfahren nach § 74a Abs. 5 ZVG festgesetzten Grundstückswert der Wertbestimmung nach § 19 KostO zugrunde gelegt.
(1.) Der für die Grundbucheintragung des Erstehers eines zwangsversteigerten Grundstücks maßgebliche Geschäftswert ist nach den Vorschriften der §§ 18, 19 KostO zu bestimmen. Danach sind alle bekannten Anhaltspunkte für einen den Einheitswert übersteigenden Wert heranzuziehen, um den Verkehrswert des versteigerten Grundstücks zum Zeitpunkt der Grundbucheintragung zu ermitteln.
Die inzwischen einhellige Rechtsprechung der Oberlandesgerichte hält grundsätzlich den gemäß § 74a Abs. 5 ZVG vom Vollstreckungsgericht festgesetzten Verkehrswert für maßgebend und das Meistgebot nur dann, wenn es über dem Verkehrswert liegt (BayObLG, Rpfl 2002, 382; OLG Celle, OLGR 2000, 289; OLG Frankfurt, InVo 2005, 38; OLG Düsseldorf, OLGR Düsseldorf 2002, 446).
In der Literatur wird dies zwar teilweise anders gesehen und entweder das Meistgebot einschließlich des Wertes etwa bestehen bleibender Rechte mit ihrem Nennwert abzüglich des Zubehörs für maßgeblich angesehen (Hartmann, Kostengesetze, 38.Aufl., § 60 KostO Rdn. 12) oder sichere Anhaltspunkte verlangt, wenn vom Meistgebot nach oben abgewichen werden soll (Lappe in: Korintenberg/Lappe/Bengel/Reiman, KostO, 17.Aufl., § 60 KostO Rdn. 23).
Im Regelfall bietet aber der auf der Grundlage eines Sachverständigengutachtens nach § 74a Abs. 5 ZVG festgesetzte Verkehrswert die wesentlich größere Gewähr, dem "wahren Wert" der Immobilie zu entsprechen. Das Sachverständigengutachten wird nach einer Besichtigung bzw. auf der Grundlage von Bauunterlagen durch unabhängige Sachverständige erstellt und berücksichtigt sowohl die gängigen Grundstückbewertungsmethoden als auch die jeweilige Marktlage. Dagegen erfolgt der Zuschlag in einer Zwangsversteigerung häufig unter Wert, weil der bestmögliche Zeitpunkt für einen Verkauf nicht abgewartet werden kann und die Bieter sich bewusst zurückhalten, um die Zwangslage, die der eines Notverkaufs ähnlich ist, bestmöglich ausnützen zu können. Eine Zwangsversteigerung fällt deshalb nicht unter den gewöhnlichen Geschäftsverkehr, auf den es nach § 19 Abs. 1 S. 2 KostO aber ausdrücklich ankommt (BayObLG, Rpfl 2002, 382; OLG Frankfurt, InVo 2005, 38).
Anders ist dies nur, wenn besondere – feststehende – Umstände ein Abweichen vom festgesetzten Verkehrswert nach unten rechtfertigen. Das können erhebliche allgemein- oder gerichtsbekannte zwischenzeitliche Veränderungen des Grundstücksmarktes sein, aber auch Veränderungen des Bewertungsobjekts oder ein erheblich abweichender, zeitnah auf dem freien Markt erlöster Kaufpreis (BayObLG, Rpfl 2002, 382). Ein solcher Ausnahmefall wurde z.B. bei einem Meistgebot von rund 25% des festgesetzten Verkehrswertes und weiteren Besonderheiten angenommen, nicht aber bei einer Abweichung von über 35% und einem zwei Jahre alten Gutachten (OLG Frankfurt, InVo 2005, 38). Bei einem drei Monate nach der Eintragung erfolgten Weiterverkauf zu einem Kaufpreis von weit weniger als 50% des festgesetzten Verkehrswertes wurde die frühere Wertfestsetzung für nicht mehr maßgeblich gehalten (OLG Düsseldorf, Rpfl 2006, 341).
Solche feststehenden Umstände hat die Beschwerdeführerin aber nicht vorgetragen, sondern lediglich die Auffassung vertreten, der Wert richte sich allein nach dem Meistgebot, was – wie ausgeführt – nicht zutrifft. Es besteht demnach im vorliegenden Fall kein Anlass, von dem Grundsatz abzuweichen, dass der nach § 74a Abs. 5 ZVG vom Vollstreckungsgericht festgesetzte Verkehrswert in Höhe von 793.000,00 EUR der Berechnung der Gebühr nach § 60 KostO zugrunde gelegt wird.
(2) Nach § 14 Abs. 7 KostO war durch Einzelrichter zu entscheiden. Das Verfahren ist gebührenfrei. Kosten werden nicht erstattet (§ 14 Abs. 9 KostO).
Unterschrift(en)