Amtsgericht Dieburg, Beschl. v. 04.11.2016 - 30 K 11/15 -

Die einstweilige Einstellung des Zwangsversteigerungsverfahrens kommt in Betracht, wenn das von der Beschlagnahme betroffene Grundstück in Bälde eine erhebliche Wertsteigerung erfahren wird, da es sich in einem Verfahren hinsichtlich der Neuausweisung von Bauland befindet und bislang zumindest als Bauerwartungsland zu behandeln und zu bewerten ist (Amtsgericht Dieburg, Beschl. v. 04.11.2016 - 30 K 11/15 -).

Amtsgericht Dieburg

04.11.2016

30 K 11/15

Beschluss

...

beschlossen:

In der Zwangsversteigerungssache zum Zwecke der Aufhebung einer Gemeinschaft

betreffend das im Grundbuch von Dieburg Blatt …

wird das Zwangsversteigerungsverfahren gemäß § 180 Abs. 2 ZVG in Verbindung mit § 765 a ZPO bis zum 30.09.2017 einstweilen eingestellt, soweit es aus dem Anordnungsbeschluss vom 23.03.2015 betrieben wird.

Der auf den 18.11.2016 angesetzte Termin wird aufgehoben.

Die Beschlagnahme bleibt bestehen.

Das Verfahren wird nur auf Antrag der genannten Antragstellerin fortgesetzt. Der Antrag kann frühestens nach dem vorstehend genannten Einstellungsende gestellt werden und muss spätestens am 30.03.2018 bei dem Gericht eingegangen sein. Wird der Forstsetzungsantrag nicht innerhalb der Frist gestellt, so ist das Verfahren aufzuheben (§§ 180 Abs. 1 ZVG i. V. m. § 31 ZVG und § 765 a ZPO).

Gründe

Der Einstellungsantrag des Antragsgegners zu 1. (...) ist am 06.09.2016 bei Gericht eingegangen.

Der Antrag ist zulässig und begründet.

Von dem Antragsgegner wird vorgetragen, dass das von der Beschlagnahme betroffene Grundstück nunmehr eine erhebliche Wertsteigerung erfahre, da es sich in einem Verfahren hinsichtlich der Neuausweisung von Bauland befinde und bislang zumindest als Bauerwartungsland zu behandeln und zu bewerten wäre. Eine Versteigerung zum jetzigen Zeitpunkt sei mit den guten Sitten nicht zu vereinbaren, dem Antragsteller sei zumutbar 9 Monate Verzögerung im Verfahren in Kauf zu nehmen. Eine einvernehmliche Lösung mit dem Antragsteller sei nicht zustande gekommen, obwohl sich der Antragsgegner zu 1 um Ablösung des Anteils bemüht habe. Auf die Begründung vom 06.09.16 und vom 20.09.16, sowie vom 30.09.16 wird Bezug genommen.

Der Antragstellerin ist Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben worden.

Eine Stellungnahme ist nicht eingegangen.

Die einstweilige Einstellung der Zwangsversteigerung auf die Dauer von 6 Monaten kann gemäß § 180 Abs. 2 ZVG nur dann erfolgen, wenn dies bei Abwägung der widerstreitenden Interessen aller Miteigentümer angemessen erscheint. Gegenüber dem grundsätzlichen Auseinandersetzungsanspruch kann der Wunsch eines Beteiligten nur in Ausnahmefällen zu einer Einstellung führen. Es muss sich um besondere Umstände handeln, die einen befristeten Aufschub angemessen erscheinen lassen. Das wäre der Fall, wenn die sofortige oder alsbaldige Versteigerung „zur Unzeit“ erfolgen würde, weil innerhalb der Einstellungszeit mit einer Veränderung wichtiger Umstände gerechnet werden kann.

Nach der Vorschrift des § 765 a ZPO kann das Vollstreckungsgericht eine Vollstreckungsmaßnahme einstweilen einstellen, wenn die Maßnahme unter voller Würdigung des Schutzbedürfnisses des Gläubigers wegen ganz besonderer Umstände eine Härte bedeutet, die mit den guten Sitten nicht vereinbar ist. D.h. weder wirtschaftliche noch soziale Gesichtspunkte, noch allgemeine Interessenabwägung rechtfertigen eine Beschränkung der Zwangsvollstreckung nach § 765 a ZPO. Dies ist eine Ausnahmevorschrift und eng auszulegen.

Nur wenn im Einzelfall das Vorgehen des Gläubigers zu einem ganz untragbaren Ergebnis führen würde, wäre die Anwendung des § 765 a ZPO gegeben.

Sittenwidrige Härte für den Schuldner bzw. dem Antragsgegner muss die Zwangsvollstreckung unter voller Würdigung des Schutzbedürfnisses des Gläubigers nach den besonderen Umständen des Einzelfalles bewirken. Dem Schutzbedürfnis des Gläubigers/Antragstellers muss Rechnung getragen werden. Schuldnerschutz kann daher nur bei krassem Missverhältnis der für und gegen die Vollstreckung sprechenden Interessen gewährt werden. Die für die Beurteilung des Falles wesentlichen Umstände müssen eindeutig sein und so stark zu Gunsten des Schuldners/Antragsgegners sprechen, dass für Zweifel kein Raum bleibt. Nicht erforderlich ist, dass den Gläubiger/Antragsteller ein Vorwurf trifft.

Eine sittenwidrige Härte läge vor, wenn der Gläubiger eine Zwangsvollstreckungsmaßnahme betreibt, die ihm keinen Nutzen bringt und nur zu dem Zweck betrieben wird, dem Schuldner Kosten zu verursachen.

Diese Voraussetzungen liegen vor. Dem Antragsteller entsteht durch das längere Zuwarten kein nennenswerter Schaden. Auch ist der Antragsteller nicht auf die sofortige und schnellstmögliche Realisierung der Versteigerung bzw. seines Aufhebungsanspruches angewiesen. Es handelt sich hier um ein unbebautes Grundstück, welches keinen Wertverlust durch mangelnde Beheizung pp. erfährt.

Der Antragsgegner hat nachgewiesen, dass das betroffene Grundstück im Flächennutzungsplan als Bauland ausgewiesen werden soll. Das Offenlegungsverfahren ist angelaufen, in der Stadtverordnetensitzung wurde bereits der formale Offenlegungsbeschluss gefasst. Dies wurde durch eine Bestätigung des Bürgermeisters der Stadt Dieburg vom 30.09.16 nachgewiesen. Somit ist mit einer erheblichen Wertsteigerung des Objektes zu rechnen. Eine Versteigerung zum jetzigen Zeitpunkt käme einer Verschleuderung gleich und ist mit den guten Sitten nicht vereinbar. Die Schutzvorschrift des § 85 a ZVG würde hier ausgehebelt werden. Der im Wertbeschluss vom 11.12.2015 zugrunde gelegte Quadratmeterpreis von 2,40 € (Bodenrichtwert) entspricht schon jetzt bei weitem nicht mehr dem Wert des Grundstückes. Eine Versteigerung zum jetzigen Zeitpunkt würde den Antragsgegner einen erheblichen Schaden zufügen ohne dem Antragsteller Nutzen zu bringen.

Die Zwangsversteigerung war somit einstweilen einzustellen. Der Versteigerungstermin vom 18.11.2016 war aufzuheben.

Unterschrift

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