Entstehungsgeschichte
Die erste Gesetzesfassung vom 24.03.1897 (RGBl. 1897, 97) lautet:
§ 146
Auf die Anordnung der Zwangsverwaltung finden die Vorschriften über die Anordnung der Zwangsversteigerung entsprechende Anwendung, soweit sich nicht aus den §§. 147 bis 151 ein Anderes ergiebt.
Von der Anordnung sind nach dem Eingange der im §. 19 Abs. 2 bezeichneten Mittheilungen des Grundbuchamts die Betheiligten zu benachrichtigen.
In den Gesetzgebungsmaterialien (Hahn, C./Mugdan, B., Die gesammten Materialien zu den Reichs-Justizgesetzen, Fünfter Band, Materialien zum Gesetz über die Zwangsversteigerung und die Zwangsverwaltung und zur Grundbuchordnung, Berlin, 1897, S. 61 ff.) heißt es:
Dritter Titel.
Zwangsverwaltung.
Die im Wege der Zwangsvollstreckung angeordnete Zwangsverwaltung eines
Grundstücks soll, ebenso wie die Zwangsversteigerung, eine
Befriedigung des Gläubigers aus dem Grundstücke herbeiführen. Diese
Gleicheit des Zweckes der beiden Zwangsmaßregeln bringt es mit sich,
daß außer den allgemeinen Vorschriften des ersten Titels auch eine
Reihe von Vorschriften des zweiten Titels, insbesondere diejenigen
über die Anordnung des Verfahrens, sich zur unveränderten Anwendung
auf die Zwangsverwaltung eignen. Das Verfahren kann daher hier zum
Theil durch Verweisung auf die entsprechenden Vorschriften des zweiten
Titels geregelt werden (vgl. § 146 Abs. 1, § 156 Abs. 2, § 157 Abs. 2,
§ 158 Abs. 3, § 161 Abs. 4).
Da bei der Zwangsverwaltung nur die Nutzungen des Grundstücks den
Gegenstand der Zwangsvollstreckung bilden, so richtet sich das
Verfahren in erster Linie nicht gegen den Eigenthümer, sondern gegen
den Besitzer. Mit Rücksicht hierauf bestimmt der § 147, daß, falls der
betreibende Gläubiger wegen eines eingetragenen Rechtes Befriedigung
sucht, die Anordnung des Verfahrens nicht von dem im § 17 Abs. 1
bestimmten Voraussetzungen abhängig sein, vielmehr es genügen soll,
wenn der Schuldner das Grundstück im Eigenbesitze hat, d. h. als ihm
gehörend besitzt (§ 872 des B.G.B.). Vorausgesetzt wird dabei, daß
entweder der Besitzer, der nicht zugleich Eigenthümer ist, die
Einleitung der Zwangsverwaltung auf Grund eines gegen den Eigenthümer
lautenenden vollstreckbaren Titels freiwillig duldet oder daß der
Gläubiger einen gegen den Besitzer selbst gerichteten vollstreckbaren
Titel hat. Einen solchen Titel sich zu verschaffen, ist der Gläubiger
in der Lage, da er sein dingliches Recht auf Befriedigung gegen
Jedermann verfolgen kann, also auch gegen den Besitzer des
Grundstücks, soweit der Besitz die Befriedigung hindert. Die Rechte
des Eigenthümers werden durch die gegen den Besitzer angeordnete
Zwangsverwaltung nicht berührt; der Eigenthümer muß aber, wenn er die
Aufhebung des Verfahrens herbeiführen will, gemäß § 690 der C.P.O.
seinerseits den Weg der Klage gegen den betreibenden Gläubiger
beschreiten. Für den Fall, daß der Gläubiger lediglich einen
persönlichen Anspruch hat, verbleibt es bei dem Grundsatze des § 17,
nach welchem die Einleitung des Verfahrens nur gegen den Eigenthümer
zulässig ist.
Die mit der Anordnung der Zwangsverwaltung verbundene Beschlagnahme
des Grundstücks ist eine weitergehende als bei der
Zwangsversteigerung. Sie erstreckt sich auf die Mieth- und Pachtzinsen
sowie bei einem Landgut auf diejenigen geernteten, auf dem Gute
befindlichen landwirtschaftlichen Erzeugnisse, welche nicht Zubehör im
Sinne des § 98 Nr 2 des B.G.B. sind, desgleichen auf den durch
Versicherung gedeckten Werth dieser Gegenstände. Außerdem verliert der
Schuldner infolge der Beschlagnahme die Verwaltung und Benutzung des
Grundstücks. Soweit zum Zweck der Erhaltung oder ordnungsmäßigen
Nutzung eine dem Schuldner untersagte thatsächliche oder rechtliche
Verfügung über das Grundstück erforderlich ist, wird sie durch einen
Verwalter ausgeübt, den das Vollstreckungsgericht ernennt, in den
Besitz des Grundstücks setzt und mit der erforderlichen Anweisung für
die Verwaltung versieht. Der Verwalter hat die Nutzungen des
Grundstücks, soweit sie nicht unmittelbar in einer Geldleistung
bestehen, in Geld umzusetzen, die seiner Verwaltung unterliegenden
Geldforderungen, zu denen je nach der Beschaffenheit des Falles auch
die Versicherungsgelder für zerstörte Gebäude oder bewegliche Sachen
gehören können, einzuziehen und auch im Uebrigen, falls sich eine dem
Interesse der Betheiligten entsprechende weitere Bewerthung des
Grundstücks, z. B. durch Vermiethung unbenutzter Räume, erzielen läßt,
diese herbeizuführen. Eine in letzterer Beziehung einschränkende,
durch Billigkeitsrücksichten gegen den Schuldner veranlaßte Bestimmung
enthält nach dem Vorgange fast aller Landesgesetze der § 149. Für die
Erfüllung die ihm obliegenden Verpflichtungen ist der Verwalter allen
Betheiligten gegenüber verantwortlich; über seine Geschäftsführung hat
er unter Vermittelung des Vollstreckungsgerichts, dessen Aufsicht er
auch sonst unterstellt ist, alljährlich wie nach der Beendigung der
Verwaltung dem Gläubiger und dem Schuldner Rechnung zu legen (§ 154).
Die Verwendung der Einnahmen erfolgt in der Weise, daß der Verwalter
die Ausgaben der Verwaltung, die Gerichtkosten, soweit diese nicht
anderen Personen zur Last fallen, und die laufenden Beträge der auf
dem Grundstücke ruhenden öffentlichen Lasten selbstständig berichtigt.
Der verbleibende Ueberschuß wird durch das Vollstreckungsgericht
vertheilt. Für die Vertheilung gelten im Wesentlichen dieselben
Vorschriften wie bei der Zwangsversteigerung. Sie wird auch hier auf
Grund eines Theilungsplans vorgenommen, den das Gericht in einem
Termin aufstellt und gegen den, wenn seine Ausführung gehindert werden
soll, in dem Termine Widerspruch und demnächst rechtzeitig Klage
erhoben werden muß. Gegenstand der Vertheilung durch den Plan sind
aber hier nicht blos die bei seiner Aufstellung schon vorhandenen,
sondern auch die zukünftigen Bestände (§ 156 Abs. 2 Satz 2). Mit
Rücksicht hierauf gestattet der Entwurf, um unbillige Härten zu
vermeiden, die nachträgliche Anfechtung des Planes im Prozeßweg
insoweit, als der Plan noch nicht ausgeführt ist; Beträge hingegen,
die der Gegner des Anfechtenden auf Grund des Planes bereits empfangen
hat, können ihm mittelst einer solchen Anfechtungsklage nicht wieder
abgefordert werden (§ 159).
Berücksichtigt werden bei der Vertheilung aller Rechte, die entweder
sich aus der seitens des Grundbuchamts dem Vollstreckungsgerichte
mitzutheilenden beglaubigten Abschrift des Grundbuchblatts ergeben
oder bei dem Vollstreckungsgericht angemeldet sind. Maßgebend ist
dabei die in den §§ 10 und 12 bestimmte Rangordnung. Jedoch werden die
dem betreibendem Gläubiger vorstehenden Berechtigten nicht wegen ihrer
Kapitalforderungen, sondern nur wegen ihrer Ansprüche auf laufende
Zinsen oder sonstige wiederkehrende Leistungen befriedigt.
Andererseits kann aber der betreibende Gläubiger auch für seine eigene
Kapitalforderung erst dann Befriedigung verlangen, wenn sämmtliche der
vierten Klasse angehörenden Ansprüche der gedachten Art, auch soweit
sie seinem Rechte nachstehen, berichtigt sind; er wird mit der
Kapitalforderung immer erst in der fünften Klasse berücksichtigt (§ 159
Abs. 2). Die Ansprüche der weiteren Klassen bleiben gänzlich außer
Betracht, da, sobald der betreibende Gläubiger befriedigt ist, das
Verfahren aufgehoben wird (§ 161 Abs. 2) ein etwa vorhandener
Ueberschluß fällt dem Eigenthümer oder Eigenbesitzer des Grundstücks
zu. Abweichend hiervon lassen die Gesetze mehrerer Staaten,
insbesondere Württembergs Art. 31 und Sachsens § 194, über die
Vertheilung der Verwaltungsüberschüsse schlechthin die für die
Vertheilung des Versteigerungserlöses geltenden Rangvorschriften
entscheiden, so daß der betreibende Gläubiger erst nach vollständiger
Befriedigung aller vorgehenden Berechtigten etwas aus dem Erlös
erhält. Die Regelung des Entwurfs, der sich in dieser Beziehung dem
Preuß. Gesetze (§ 147) angeschlossen hat, beruht auf der Erwägung, daß
die Zwangsverwaltung, im Gegensatze zur Zwangsversteigerung, dem
Schuldner den Grundbesitz erhalten und demgemäß dem Gläubiger in
erster Linie nur wegen seiner laufenden Nebenansprüche Befriedigung
verschaffen soll, während die Deckung des Hauptanspruchs in den
Hintergrund tritt. Dieser Zweck würde vereitelt werden, wenn die dem
Gläubiger nachstehenden Berechtigten mit der Befriedigung ihrer
laufenden Ansprüche so lange warten müßten, bis die Rechte des
Gläubigers und der ihm vorgehenden Berechtigten in voller Höhe gedeckt
wären. Hierdurch würden die nachstehenden Berechtigten dazu gedrängt
werden, sofort die Zwangsversteigerung zu betreiben. Auf der anderen
Seite erleiden die dem Gläubiger vorgehenden Berechtigten dadurch, daß
sie gleichfalls nur wegen der laufenden Ansprüche befriedigt werden,
keinen Nachtheil, da sie der Zwangsverwaltung beitreten, und auf diese
Weise eine unverkürzte Berücksichtigung ihres Rechtes an bevorzugter
Stelle herbeiführen können.
Ist der Theilungsplan festgestellt, so hat das Gericht die Auszahlung
anzuordnen; die Auszahlung selbst erfolgt je nach dem Bestande der
vorhandenen Baarmittel fortlaufend durch den Verwalter ohne Mitwirkung
des Gerichts. Nur wenn Kapitalzahlungen geleistet werden sollen, hat
der Verwalter zu diesem Zwecke die Anberaumung eines Termins zu
beantragen (§ 158 Abs. 1, § 157 Abs. 1 Satz 2). Soweit in Folge einer
solchen Zahlung das betreffende Recht erloschen ist, hat das Gericht
wegen der Berichtigung des Grundbuchs in gleicher Weise von Amtswegen
das Erforderliche zu veranlassen wie bei der Zwangsversteigerung (§
158 Abs. 2, 3).
Die Zwangsverwaltung ist aufzuheben, wenn dem Gericht ein aus dem
Grundbuch ersichtliches Recht bekannt wird, das der Fortsetzug des
Verfahrens entgegensteht (§ 28), oder wenn nach den Vorschriften der
C.P.O. die Zwangsvollstreckung eingestellt werden muß, insbesondere
also, wenn der betreibende Gläubiger befriedigt ist oder den
Vollstreckungsantrag zurücknimmt. Einen weiteren Aufhebungsgrund
enthält die Sondervorschrift des § 161 Abs. 3. Die Zwangsverwaltung
wird ferner beendigt mit der Veräußerung des Grundstücks im Wege der
Zwangsversteigerung; jedoch ist sie in diesem Falle erst dann
aufzuheben, wenn sämmtliche vor dem Zuschlage gezogenen Nutzungen
verwerthet und vertheilt worden sind. Sind an der Vertheilung
dieselben Personen betheiligt wie bei dem Versteigerungserlöse, so
kann das Gericht nach seinem Ermessen die beiden Vertheilungen derart
miteinander verbinden, daß in dem einen Verfahren auf das andere
Rücksicht genommen wird.
Die Beendigung der Zwangsverwaltung tritt niemals von selbst ein,
sondern setzt in allen Fällen einen Beschluß des
Vollstreckungsgerichts voraus (§ 161 Abs. 1).